Tod

Die letzte Reise wurde vornehm angetreten in Thüste. ‚Peek‘ Heuer warf sich in Gehrock und Zylinder und tauschte seinen Milchwagen gegen den schwarzen Trauerwagen. Mit den zwei Ackerpferden, die mindestens so gediegen wie er gekleidet waren, schwarze Decken auf dem Rücken und schwarze Wedel auf dem Kopf, holte er den Toten von zuhause ab. Ganz durchs Dorf ging es, über den Schmiedebrink zum Friedhof, gefolgt von den Sargträgern und den Trauernden. Die ‚Totenfrau‘ war zuvor von Haus zu Haus gegangen und hatte allen über die anstehende Beerdigung berichtet.

Sonnenbeschienen oberhalb des Tals liegt der Thüster Friedhof. Heutzutage ist er geprägt durch die große Skulptur aus Thüster Sandstein auf dem Grab der Familie Stichweh, die über alles wacht. Doch hier war es nicht immer so ruhig wie es scheint.

Nach dem Krieg wurde es eng hier. Die Einwohnerschaft war sprunghaft angestiegen und damit auch die Zahl der Beerdigungen. Neue Familien brauchten neue Grabstellen und da es bis dahin keinen Lageplan gab, wurden Gräber eben ausgehoben wo Platz war. Eines Tages erwischte der Totengräber beim Abstechen ein Bein aus dem Nachbargrab. Eines anderen Tages sollte, um Platz zu schaffen, eine Grabstelle entfernt werden. Der darin liegende Sarg war allerdings noch nicht verrottet. Deshalb wurde er hinter die Friedhofsmauer gestellt und angezündet. Kurz danach begann es zu regnen. Das Feuer erlosch und spielende Kinder nutzten die Gunst der Stunde, um sich näher mit diesem spannenden Fund zu beschäftigen. Mit nach Hause brachten sie stolz eine nahezu unversehrte Socke, in der die kleinen Fußknöchelchen klimperten. „Die Socke von unserem alten Knecht“, schrie die Mutter entgeistert und dann setzte es was.

Aber es half nichts. Immer wieder zu entdeckende Schädel und Knochen machte die Stelle hinter dem Friedhof immer zum beliebten, geheimnisumwitterten Spielplatz für die Thüster Kinder.